Meine LOMO LC-A: Der Beginn einer Lomographischen Beziehung

Dieser Artikel erschien am 2.3.2015 im Magazin auf Lomography.com (Mit Erlaubnis erscheint er nun auch hier.)

Der (Internet-) Flohmarkt

Ach, guck mal, was das weltgrößte Internetauktionsportal da hat! Eine original LOMO LC-A. Die 80er-Jahre Kompaktknipse aus St. Petersburg, ohne die es die Lomographie nie gegeben hätte. Die will ich haben! Klein, einfach in der Bedienung und launisch bei der Bildproduktion. So zumindest die Legendenlage. Ich bin echt neugierig! Und der Preis stimmt auch. Also, nicht lange drüber nachdenken. „Klick“ und „drei, zwei, eins, MEINS!“ Es hat geklappt und die LC-A gehört mir. Möge die Post schnell und zuverlässig den kleinen Schatz zu mir bringen. Hatten die Wiener Studenten und späteren Gründer der Lomographischen Gesellschaft, Matthias, Christoph und Wolfgang auch so eine Vorahnung, dass sie etwas wirklich Besonderes gekauft hatten, als sie ihre erste LC-A 1992 auf einem Flohmarkt in Prag entdeckten?

Nach vier Tagen Wartezeit:

Die Post hat geliefert! So geht „Flohmarkt“ heute… Auspacken, Angucken, Aufregung! Funktioniert sie auch? Die Verschlusslamellen verkleben ja bekanntlich gerne bei den alten LOMOs. Diese Schwachstelle ist meist die Hauptgefahr beim Kauf einer alten LC-A. Das Schmiermittel kann im Laufe der Jahre, bei Nichtbenutzung, verharzen und dann bewegt sich der Verschluss nicht mehr, obwohl es verheißungsvoll klickt. Aber mein kleiner LOMO COMPACT AUTOMAT klickt nicht nur, er blinzelt mich auch mit der 1:2,8 Minitar 1-Linse freundlich an. Super, der Verschluss tut was er soll. Jetzt muss ich nur noch warten, bis der Feierabend kommt und ich auf meinen ersten echten LOMO-Walk gehen kann. Der Tag im Büro ist lang, draußen verschwindet das Sonnenlicht. Dunkelheit umhüllt die Freie und Hansestadt Hamburg. Da sitze ich nun mit meiner geladenen LC-A und draußen ist es duster… Konsultieren wir mal die goldenen Regeln der Lomographie. Vielleicht steht da ja etwas Hilfreiches. Regel Nummer zwei bringt die Antwort: „Nutzt sie zu jeder Tages- und Nachtzeit.“ Wohl an, möge das knipsen beginnen! Raus auf die Straße. Kalt, Winter… also ab in die U-Bahn! In der Hafencity gibt es ein paar neue Bahnhöfe, an denen ich noch nie war und die bei der Eröffnung in der Zeitung interessant aussahen. Ticket für mich, die LC-A fährt schwarz. Ich verrate sie nicht! A 1216x811x1 AA 1216x811x1           Ankunft U-Bahnhaltestelle Hafencity Universität. Schick! Hier ist mal echt Farbe im Spiel. Unter der Decke über dem Bahnsteig hängen große Container, die von innen mittels LEDs in wechselnden Farben erstrahlen. Na, wenn das mal nicht ein ideales Jagdrevier für meine LC-A ist. Mit großem Spaß erkunde ich jede Ecke des Bahnhofs und suche nach immer neuen Perspektiven. Ich mache ein Selfie in der polierten Oberfläche eines Mülleimers, halte die Kamera über meinen Kopf, stelle sie auf den Boden, überlasse der Automatik die Entscheidungen über Blende und Verschlusszeit. „Don’t think“ (Regel 5) und „sei schnell“ (Regel 6)! Schnell reift die Erkenntnis: dieses lustvolle Lomo(lebnis) sollte man teilen. Seit über einem Jahr betreibe ich einen Videoblog über Amateurkameras und die schönen Bilder, die man ihnen entlocken kann. Die LC-A hat auch einen Blogbeitrag verdient und die Location ist wirklich wie gemacht dafür. Ich fahre mit der Rolltreppe, um einen Kamerakran zu simulieren, nutze die Zeitrafferfunktion meines Smartphones, um das schöne Wechselspiel der Leuchtcontainer einzufangen. Und ich suche Plätze, wo ich mich in Ruhe vor die Kamera setzen kann, um die LC-A mal in aller Ruhe zeigen zu können.


Nach einer erholsamen Nacht voller farbenfroher Träume

Die LC-A und ich sind satt. Ich hatte ein Müsli und sie einen Dia-Film. Wohlgenährt ziehen wir wieder durch die die Stadt. Es hat geregnet. In den Pfützen spiegelt sich mach spannendes Motiv. Woran andere vorbeihetzen, da halte ich die LOMO drauf. Ich übe den Schuss aus der Hüfte (Regel 9). Zielen ist nicht „lomo“. Ich muss weder vorher noch nachher wissen, was ich da knipse bzw. geknipst habe. (Regeln 7 und 8) 2 1216x811x1 3 1216x811x1 1216x811x1

Wer noch niemals bei lauschiger Nacht…

Wieder ist es Abend. Es hält mich nichts drinnen. Ich stelle die LOMO auf einen Stromkasten, damit sie nicht wackelt. Gute Idee, denn bei wenig Licht braucht die Automatik Zeit. Bis zu zwei Sekunden hält sie die Linse offen. Die kleine Photozelle vorne an der LC-A misst das vorhandene Licht und die Kamera berechnet zuverlässig die Verschlusszeit. Langzeitbelichtungen sind also kein Problem, solange die LC-A festen Boden unter den Füßen hat. Klar, gibt es ein Stativgewinde. Aber wer hat schon ein Stativ dabei, wenn er des Nächtens einen Spaziergang macht?

Am Tag danach

Ich bringe die Filme zur Entwicklung in die Drogerie am Hauptbahnhof. Bisher weiß ich nicht, ob auf den Filmen überhaupt etwas Schickes drauf ist. Was wenn alles nur ein Hype ist und mich die LC-A enttäuscht? Eine heiße Affäre mit bitterem Nachgeschmack… Och, bitte nicht! Es geht doch ganz gut los mit uns beiden. Die Filme kommen in die Tüte. Der Diafilm möge bitte im C41-Bad entwickelt werden. (Also so als wäre er ein normaler Farbnegativfilm) Fachsprech: „cross-processed“ (xPro). Ich schreibe diesen Wunsch an drei verschiedene Stellen auf die Filmtüte. Ich hoffe, es klappt!

Die Wundertüten möchten abgeholt werden.

Mit pochendem Herzen und nervöser Vorfreude hole ich die Filmtüten aus der Drogerie. Sie sind prall gefüllt mit meinen ersten „echten“ Lomographien. Noch im Landen blättere ich die Bilder durch. Es hat sich gelohnt! Die Bilder vom U-Bahnhof leuchten in den tollsten Farben. Der cross-processete (im Englischen klingt das irgendwie besser!) Diafilm löst bei mir richtiges Verzücken aus. Alles hübsch grün geworden! Das Eheversprechen Ja, ich will! Liebe LOMO LC-A, mit dir will ich noch viele Jahre verbringen. Aber zu jeder guten, liebevollen Beziehung gehören auch Regeln. Die wichtigste lautet: „Schere dich nicht um irgendwelche Regeln.“ (Regel 10) Hier gibt es noch eine bunte und bewegte Bildergalerie.