9 Hilfen für bessere Bilder… und „Hausaufgaben“ gibt es auch noch!

Vor dem Auslösen stellen wir uns meist die Frage: „Was will ich zeigen?“. Schon mal nicht schlecht! Aber noch nicht ausreichend. Die richtige Frage sollte lauten: „Was soll der/die BetrachterIn sehen?“ Wir müssen uns als Fotografen also die Frage der Bildgestaltung aufgrund der angenommenen Rezeption stellen. Oder anders: Wie kann ich ein Bild so gestalten, dass die Person vor dem Bild, mein Foto so sieht, wie es mir wichtig ist? Die folgenden Hinweise können dabei helfen. Sie sind als Anregungen und Tipps zu verstehen. Auch wenn diese manchmal „Regeln“ heißen, so sind sie keineswegs in Stein gemeißelt. Mit den Worten einer bekannten Rockband aus New Jersey: „The rules we made are meant for breaking.” Oder im Sinne der 10. Regel der Lomographen: „Vergiss die Regeln.“ Um die ein oder andere Regel zu üben bzw. um für dich zu erkennen, ob sie für dich Sinn macht, habe ich kleine "Hausaufgaben" gestellt. Wie in der Schule sind diese Hausaufgaben natürlich nicht zu verstehen! Wer bin ich denn, dir Hausaufgaben zu stellen? Sie sollen lediglich dabei helfen, herrauszufinden, ob dir meine Hinweise helfen. Also, bitte erlaube mir das böse "H-Wort". 🙂 1. Langweile dich nicht selber! Selbst wenn man im Auftrag eines anderen Fotografiert, sollte man immer neugierig sein und sich mit ganzer Aufmerksamkeit seinem Foto widmen. Nichts darf in dem Moment spannender sein, das das Geschehen vor der Linse. Denn wenn es nicht spannend genug ist, dass der Fotograf gefesselt ist, warum sollte denn sonst irgendjemand dem fertigen Foto seine Aufmerksamkeit schenken? Also, schau genau hin und überlege, erspüre, errate, was das spannende an deinem Fotoobjekt ist. Sind es die Augen des Modells? Ist es die Reflektion in der Pfütze? Ist es das Licht, welches durch die Haare fällt? Oder nur der Wind, der die Blätter bewegt? Stellt euch die Frage: Warum schaue ich mir das überhaupt an? Warum interessiert mich das? Wenn ihr eine Antwort habt, geht es nur noch darum, den Aspekt, der euch als spannend erschien, zu zwigen. „Nur!“ Dieses „Nur“ ist manchmal ganz schön kompliziert! 2. K.I.S.S. (Keep it simple – and sexy!) “Sexy geht immer!” Klar! In diesem Fall geht es aber nicht um die Darstellung nackter Tatsachen, sondern vielmehr darum, etwas zu zeigen, dass interessant, spannend, aufregend ist. Wir wollen etwas präsentieren, das die Aufmerksamkeit  des Betrachters wert ist.  Also lenken wir nicht davon ab.  Das kann natürlich auch nackte Haut sein – muss es aber nicht! Den Gegenstand bzw. die Person des Interesses so zu fotografieren, dass möglichst nichts davon ablenkt, ist das Ziel. Dies kann auf verschiedenen Wegen erreicht werden. -          Auswahl des Bildausschnitts (Alles was stört, bleibt draußen.) -          Reduzierung der Elemente im Bild auf das Wesentliche. (Man kann auch mal was wegräumen oder ein Bild vom Haken nehmen, welches an der Wand hängt etc.) -          Selektive Schärfe. (Alles was stört wird unscharf, schemenhaft.) -          Gezieltes Licht. (Was wichtig ist, ist hell. Was unwichtig ist, ist dunkel. Oder umgekehrt!) -          Auswahl des Hintergrundes. (Ruhige, farb- und formreduzierte Hintergründe lenken nicht ab.) -          Geh auch mal ganz nah ran. (Manchmal reichen ein paar Schritte.  Es muss nicht immer das teure Teleobjektiv sein.) Das Schlagwort ist: Weglassen! Nur das kommt auf das Bild, was wir wirklich brauchen, um unsere Botschaft zu vermitteln. 3. Wahl des passenden Werkzeugs Wie ein/e MalerIn stehen auch dem/der Fotografin verschiedene Werkzeuge zur Verfügung.  Die Entscheidung über die Technik ist natürlich oft abhängig vom eigenen Budget und dem was sich im Laufe der Jahre im Schrank so alles angesammelt hat. Doch selbst bei kleinem Geldbeutel und eingeschränktem Equipment lassen sich Entscheidungen fällen. Welches Objektiv, Stativ oder nicht, Film oder Digital, Blitz oder natürliches Licht, welche Smartphone-App, welcher Filter, Einsatz von Photoshop oder „straight out of the camera“? Die Liste ist lang. Die Entscheidung oft schwer. Am besten hat es meine Arbeitslehre Lehrerin in der siebten Klasse gesagt: „Nimm einen Hammer, wenn du einen Nagel in die Wand hauen willst!“ Also: immer das passende Werkzeug nutzen, für die Aufgabe, die man sich gestellt hat.  Was aber wenn dieses Werkzeug nicht zur Verfügung steht, weil es zum Beispiel zu teuer ist? Improvisieren! Dem Spieltrieb nachgehen! Um die Ecke denken! Oft ist es die technische Einschränkung, die aus uns die beste (kreativste) Lösung heraus kitzelt. Denn das wichtigste Werkzeug in der Kunst ist der/die KünstlerIn selbst. 4. Bitte nicht die Mitte! Nichts ist langweilige, als das zentrale Objekt des Fotos in die Mitte zu setzen.  Meistens ist der Punkt auf dem Foto, den wir umgangssprachlich „Mitte“ nennen bestenfalls „urlaubsfototauglich“. „Alles scharf und alles schön in der Mitte“, wirkt meist uninspiriert und fade. Beim durchblättern der Urlaubsfotos wandern diese Bilder schnell zurück in den Stapel und finden meist nicht einmal den Weg ins Fotoalbum. Warum stellen wir Tante Martha nicht einfach mal an den Rand des Bildes? Dann sehen wir auch den Strand, an dem sie steht. Wir entdecken weiße Wölkchen am Sommerhimmel, wir sehen, von wo das Licht kommt und erkennen somit eventuell die Tageszeit… eine kleine Szene entsteht in unserem Kopf.  Unsere Aufmerksamkeit ist gefesselt. Mit Mitte meine ich die dreidimensionale, mathematische Mitte. (Höhe/Breite/Tiefe) Ein Objekt kann also durchaus in der Mitte zweier dieser Achsen platziert werden. Wenn zum Beispiel, durch die Tiefenschärfe oder andere Mittel (Licht/Schatten), das Bild eine dritte Dimension (z-Achse) bekommt, kann es durchaus reizvoll sein, den Gegenstand am Schnittpunkt der x- und y-Achse zu verorten. Nahaufnahmen mit offener Blende (unscharfer Hintergrund) oder Personen, die in der Tiefe des Bildes nur schemenhaft zu erkennen sind, können sehr interessant sein. Die Mitte ist also nicht per se böse. Sie verlangt uns aber einen extra Schritt ab, um das Bild spannend zu machen. Hausaufgabe: Nimm deine Kamera und suche in deiner Wohnung nach Interessanten Objekten (Blumen, Möbelstücke, Küchenutensilien etc.) und mache jeweils 2 Fotos. Einmal mit dem Objekt in der Mitte. Und einmal mit dem Objekt verschoben (nach links/rechts/vorn/hinten). Dann betrachte beide Bilder nebeneinander auf deinem Monitor. Welches Bild gefällt dir besser? 5. Die Drittelregel (Rule of Thirds) „Lass und Tick Tack Toe spielen!“ „Und warum?“ „Weil uns dieser Satz dabei hilft, uns die „Drittelregel“ (Rule of Thirds) zu merken.“ Eselsbrücken sind eben nicht nur hilfreich für pferdeähnliche Vierbeiner, die über ein fließendes Gewässer wollen.  Auch Fotografen, Maler, Grafiker etc. profitieren bisweilen sehr von ihnen. Die Auflösung der „Tick Tack Toe“ – Eselsbrücke: Wir teilen unser Bild gedanklich, mittels je zweier waagerechter und senkrechter Linien, in 9 gleichgroße Felder. Die jeweiligen Linien kreuzen sich wie bei einem Tick Tack Toe-Spielfeld.  (Tipp: Viele DSLRs bieten an, diese Bildlinien im „Live View“-Modus einzublenden.) Die Kreuzungen der Linien bilden Schwerpunkte, zu denen unsere Aufmerksamkeit bei der Bildbetrachtung automatisch wandert. An diesen Stellen platzieren wir idealerweise das wichtigste Element unseres Bildes. Solltet ihr mit selektiver Fokussierung arbeiten, kann der ausgewählte Schwerpunkt auch durch die Scharfstellung zusätzlich verstärkt werden. Auch entlang einer der Linien lässt sich ein Bildgegenstand ausrichten. (Z.B. der Horizont) Bilder die auf diese Weise komponiert sind, geben dem Betrachten schnell Orientierung, vermitteln Klarheit und wirken damit gefällig. Sie sind leicht zu „lesen“ und zu verstehen.

Drittelregel-3-GraphikBeispielbild: Drittelregel

Hausaufgabe: Öffne wahllos 10 Bilder aus deinem Archiv. Lege in Photoshop oder einer andere Bildbearbeitungssoftware ein "Tick Tack Toe"-Raster über die Bilder und prüfe, ob du vielleicht bereits unbewusst, mit der Drittelregel gearbeitet hast. Öffne nun 10 Bilder aus dem Internet, die dir richtig gut gefallen. Auch hier mache den Drittel-Test. 6. Leitende Linien Der Einsatz von Linien kann Unterschiedliches bewirken. Linien können ein Bild unterteilen, Tiefe verleihen, auf einen Bildschwerpunkt hinweisen. Linien leiten das Auge auf etwas hin oder sie unterbrechen das Schweifen des Blickes, in dem sie das Bild in Teile schneiden, somit Grenzen setzen. Sie strukturieren das Foto, geben Orientierung. Linien finden sich überall im Alltag. Wer einmal darüber nachgedacht hat, sieht sie überall und beginnt vor dem inneren Auge, Bilder zu konstruieren. Bordsteine, Häuserfassaden, der Horizont, der Bootssteg, die Straßen(-markierungen), Treppengeländer etc. All dies lässt sich nutzen, um dem/der BildbetrachterIn zu helfen, sich im Foto zurecht zu finden. Linien können auch Emotionen wecken. Eine Straße, die sich in der Ferne im Unscharfen verläuft... Ein Bootssteg, der in den Neben führt... Eine Sonne, die hinter dem Horizont verschwindet... Eine Person, die in der Ferne an einem Geländer lehnt... All diese Linien helfen dabei eine Geschichte zu erzählen, Gefühle und Assoziationen zu wecken.

 Linien-5Linien-5-GraphikBeispielbilder: leitende Linien

Hausaufgabe: Nimm deine Handykamera und suche mit dem Blick auf das Display in deinem Zimmer nach Linien. Setze diese Aktivität im Büro, auf dem Weg zum Bäcker usw. fort. Mach ein paar Fotos und betrachte sie im Nachhinein. Stell dir die Frage: "Welche Funktion haben die Linien auf meinen Fotos?"

7. Rahmen/Bild im Bild Eine Frau schaut aus dem Fenster. Ein Auto fährt in einen Tunnel. Ein Mann blickt in den Spiegel. All diese Motive haben eines gemeinsam. Sie setzen den Bildschwerpunkt in einen Rahmen. Es entsteht ein Bild im Bild. Diese Methode der Bildkomposition hilf dabei ein Foto zu strukturieren. Sie weist auf das wichtigste Element hin. Warum wäre es sonst eingerahmt? Auch mittel unterschiedlicher Schärfen kann man ein Element einrahmen. Eine Person steht auf einem Bahnsteig (scharf). Links und rechts fahren Züge vorbei (unscharf durch Bewegung). Somit steht die Person hübsch eingerahmt im Mittelpunkt des Bildes.Hell-Dunkel, oder Farbfelder (z.B. eine Haustür oder ein Schaufenster) können schöne Rahmen bilden.

Rahmen-2

Rahmen-2-Graphik

Rahmen

Rahmen

Beipielbilder: Rahmen

Hausaufgabe: Nimm einen Freund/Freundin mit auf einen Spaziergang durch die Stadt. Sucht gemeinsam nach Rahmen und fotografiere deine Begleitung so, dass sie in den Rahmen passt. Ziel: 20 Rahmen in 1 Stunde. Danach lade deine Begleitung zum Eis ein! 8. Suche das Licht "Photographie" heißt Schreiben/Zeichnen mit Licht. Es ist das von Objekten reflektierte Licht, welches uns sehen lässt. Fangen wir es mit unseren Kameras ein, konservieren wir es für die Ewigkeit. Anders: ohne Licht, kein Foto. Aber nicht jedes Licht ist gleich. Lichtstärke, Lichtquelle, Winkel zum Objekt, Farb(-anteil) des Lichts (Sommer: gold, Winter: grau, Abends: rot usw.)... handelt es sich um direkte Einstrahlung oder wird es auf das Motiv reflektiert, trifft es direkt und klar auf oder wird es durch ein Medium gebrochen? Gibt es Schatten? Sind diese weich oder hart? All diese Aspekte gilt es zu beachten. Das heißt, wir müssen das Licht beobachten, einschätzen und für unsere Zwecke nutzbar machen. Zum Thema Licht, bald mehr an dieser Stelle. Licht

Licht-2Beispielbilder: Licht

Hausaufgabe: Geh spazieren und beobachte das Licht. Setze dich auf eine Bank und schaue dir ein Objekt vor dir an. Versuche zu beschreiben, wo das Licht herkommt, wie es aussieht, wie es auf dich wirkt. Mach dir Notizen. Fertige vielleicht eine kleine Skizze an. 9. Den richtigen Augenblick erwischen Es gibt ein wunderschönes Bild von Henri Cartier-Bresson, welches einem Mann zeigt, der über eine Pfütze springt. Das Bild ist nicht ganz scharf. Der springende Mann ist vollkommen verwischt.  Er ist nur ein schwarzer Schatten. Man könnte sagen, es ist technisch „nicht perfekt“. Dennoch ist dieses Bild wunderbar! Denn der Moment, den er einfängt, ist einmalig. Die Kamera war zum rechten Zeitpunkt „im Anschlag“ und Cartier-Bresson sah den Augenblick kommen und fing ihn für uns ein. Es gibt einige Textzeilen von Jackson Browne, die den Gedanken des „besonderen fotografischen Moments“ wunderbar beschreiben. Looking through some photographs I found inside a drawer I was taken by a photograph of you There were one or two I know that you would have liked a little more But they didn't show your spirit quite as true You were turning 'round to see who was behind you And I took your childish laughter by surprise And at the moment that my camera happened to find you There was just a trace of sorrow in your eyes. [Fountain of Sorrow] Oft ist es nicht das makellose Gesicht, das schönste Licht, die ideale Bildkomposition, die uns beim Betrachten eines fesselt. Oft ist es der besondere Augenblick. Man kann ihn nicht erzwingen. Aber man kann ihn (manchmal) einfangen, indem man ihn antizipiert, ihn provoziert oder einfach nur Glück hat.

Moment

Moment2

Beispielbild: Moment

Aber ein glücklicher Augenblick landet nur auf dem Film/Chip, wenn man eine Kamera dabei und griffbereit hat. Also gilt auch hier der von Chace Jarvis wiederbelebte Satz: „The best camera is the one you have with you.“ Oder wie es als Werbeplakat im Fotoladen meiner Träume in Manhattan “B&H Photo” an der Wand steht: „Keep calm - and carry a camera!“ Hier noch ein paar Tipps in bewegten Bildern: