DIANA und HOLGA – Die Anfänge der Toy Cameras

 Yes, There was Plastic Life on Earth Before LOMOGRAPHY! Und was hast du für eine Kamera? Mit dieser Frage wird der Fotograf, die Fotografin gerne vermessen. Hasselblad, Nikon, Canon, Leica? Alles klar! Dieser Bildkünstler ist echt, vertrauenswürdig und professionell! Was aber wenn die Antwort lautet: "Ich benutze Toy Cameras mit Plastiklinsen."? Die Verwunderung ist dann meist groß. Ungläubigkeit mischt sich mit Skepsis. Machst du Witze? Dieses Plastikding soll echte bzw. gute Fotos machen? Was kostet denn so ein Ding? 30-40 Euro? Das kann doch nicht mit rechten Dingen zugehen! Die Skepsis lässt ist natürlich nachvollziehbar. Sehen die Plastikkameras doch anders aus, als ein „echter “ Fotoapparat. Und dann werden sie auch noch mit analogem Filmmaterial gefüttert. Für unkundige Zeitgenossen bzw.  -innen ist das alles sehr merkwürdig. Aber die fotografischen Ergebnisse vertreiben so mach Vorbehalt. Ein gutes Bild ist eben mehr wert als 1000 skeptische Worte. Ein gutes Bild! Denn auch für Toy Cameras gilt der Satz: Ausschlaggebend ist der/die FotografIn, nicht die Kamera. Denn so wenig,  wie eine Hasselblad oder Nikon garantiert gute Bilder macht, nur weil sie teuer ist, macht auch eine Plastiklisenkamera keine guten (oder schlechten) Bilder weil sie billig ist. Aber wo kommen diese Plastikdinger eigentlich her? Ein kurzer Blick in die Geschichtsbücher. Alles begann mit der DIANA. Sie wurde in den 1960er Jahren  von der Great Wall Plastic Factory in Hong Kong hergestellt. Sie hatte in der Regel 3 Blendeneinstellungen (Sonne, Wolken und wechselnd bewölkt), ein 3 bis 4 stufiges Zonenfokussierungssystem (eine Person, 2 Personen, größere Gruppe und Berg) sowie eine feste Verschlusszeit (N= normal) mit der Option für Langzeitbelichtungen (B=bulb). Alle Einstellmöglichkeiten waren mit kleinen Piktogrammen versehen und sind lediglich  „circa“-Optionen. Weder die Plastiklinse noch die Mechaniken der Diana unterlagen Qualitätskontrollen oder wurden mit großer Präzision hergestellt. Entsprechend floss eine gehörige Portion Zufall ein, in die auf 120mm Rollfilm gebannten Bilder. Auch der einfache Sucher half wenig bei der Bildkomposition, da er nicht zeigte, was die Linse „sah“. Er war lediglich eine Hilfe beim „zielen“. Die DIANAs der 60er und frühen 70er Jahre waren auch nicht in erster Linie als „Fotoapparate“ konzipiert. Sie wurden von einer Plastikfabrik hergestellt und dienten als Werbegeschenke oder Jahrmarktgewinne, mit denen man „sogar Fotos schießen konnte“.  Die DIANAs wurde Containerweise in die USA und Europa (hauptsächlich nach Großbritannien) verschifft. Stückpreis: ca. 0,50 USD! Einige Quellen sagen 69 cent-3 Dollar. Aber, who gives a crap(py camera)? Nach einer Weile wurden die DIANAs eingestellt. Dennoch erreichten immer neue „Klone“ den Plastikmarkt. Größtenteils waren sie Nachbauten bzw. direkte Kopien, teilweise hatten sie einige Modifikationen. Sie trugen Namen wie „DANA“, „WINDSOD“, „RAND“, „Future Scientist“, „LINA“… Im Prinzip waren es aber DIANAs mit einem anderen Namensschild. (Ich fand vor kurzem sogar eine "ANNA", die zwar sogut wie baugleich war, dafür aber um einiges kleiner und mit dem inzwischen fast ausgestorbenen 127mm Film gefüttert werden muss. Anna CameraIn den 1980er Jahren waren es wieder einmal die Plastikfreunde Hong Kongs, die die Welt der Toy Cameras bereicherten. Die Neue Generation der Plastikknipsen nannte sich HOLGA und wurde von einem gewissen Herrn T.M. Lee hergestellt.  Der Name HOLGA ist eine Verfremdung des chinesischen Ausdrucks „Ho Gwong“, der übersetzt so viel wie „sehr hell“ bedeutet. Die Herstellerfirma der HOLGA, Universal Electronics Industries, war ebenso wie die Great Wall Plastic Factory, kein klassischer Kamerahersteller. Aber schon ein bisschen mehr… UEI stellte zumindest Blitzgeräte für unterschiedlichste Fotoapparate her.  Nachdem immer mehr Kameras Blitze bereits eingebaut hatten, suchte UEI nach einem neuen Markt. Somit entschied man sich die HOLGA zu bauen. Ziel war es  die arbeitende Bevölkerung in China mit einer bezahlbaren Kamera zu versorgen. Die HOLGA wurde, wie die DIANA mit 120-Mittelformatfilm geladen. Dieses Material war in China zu der Zeit weit verbreitet, wurde aber schnell vom günstigen und praktischen 35mm Kleinbildfilm abgelöst. Somit  kam die HOLGA in China nicht recht „in Schwung“. Holga Damit hätte eigentlich das Ende der HOLGA gekommen sein müssen. Aber es kam anders! Wie schon bei der DIANA zuvor, griffen sich Künstlerinnen und Künstler sowie Fotoschulen die günstigen Plastikkameras und nutzten sie für ihre Bedarfe. Denn es stellte sich schnell heraus, dass die HOLGAS und DIANAS einen eigenen Look entwickelten, der eine zunehmende Fangemeinde für sich begeisterte. Bereits 1977/78 erschien IOWA, ein Bildband von Nancy Rexroth welcher ausschließlich mit DIANA-Bildern gefüllt war. Besonders die Lichteinfälle, die unberechenbaren Unschärfen und wilden Reflexe der einfachen Plastiklinse, die dunklen Ecken (Vignetten) der Bilder, die Farbverschiebungen… all das verzauberte erst Künstler und Künsterinnen und ihr Publikum. Später fanden die Plastikkameras dann auch ihren Weg in die Hände von „normalen“ Fotografinnen und Fotografen, die einfach nach einem weiteren Werkzeug zur Erweiterung ihrer Möglichkeiten suchten. Fotoschulen und Universitäten nutzten die billigen Plastikkameras gerne, um Studentinnen und Studenten die Grundlagen der Fotografie näher zu bringen und um das Element der „wer hat die beste Kamera?“- aus der Gleichung zu nehmen. Alles Studentinnen und Studenten sollten mit der gleichen, simplen Technik arbeiten. Auf diesem Wege sollte sich die Konzentration auf das zu gestaltende Bild lenken und nicht auf die Bedienung der komplizierten Technik. Ein aufsehender Artikel zu diesem Thema war „1 $ Toy Teaches Photography“ aus dem Jahr 1971. Die Autorin Elizabeth Truxell beschrieb in der Zeitschrift „Popuplar Photography“ den Einsatz der DIANAs an der Ohio University. Später wurden die DIANAs von den HOLGAs abgelöst. Abgesehen von den unterschiedlichen Herstellern unterscheiden sich die DIANAs und HOLGAs sehr und auch wieder gar nicht. Viele der mit Verve beschworenen Unterschiede haben mit der unterschiedlichen emotionalen Bindung der jeweiligen Fotografen zu  „IHRER“ HOLGA oder DIANA und natürlich dem Aussehen zu tun. Technisch und foto-philosophisch gibt es aber viele Parallelen. Beide Kameras bestehen fast zu 100% aus Plastik – bis hin zur einfachen Plastiklinse. HOLGAs sowie DIANAs besitzen eine feste Verschlusszeit (einfache Metallfeder), Zonenfokussierung, Piktogramme statt Zahlenwerte, nicht gekoppelte Sucher, nutzen 120mm Rollfilm und nur wenige vorgegebene Blenden. Die Bauweise der HOLGA ist robuster und die vornehmlich schwarzen 80er-Toy Cameras wirken massiver als die Diana. Die Diana ist leichter und wirkt zerbrechlich in der Handhabung. Auch dies ist sicher ein Grund dafür, dass es mehr Bastler gibt, die ihre HOLGAs modifizieren als DIANAs. Schnell wurden z.B. Stativgewinde und 35mm-Filmadapter gebastelt. Ein echter Pionier dieses Fachs war Randy von Holgamods.com. Viele seiner Ideen wurden später von den Herstellern der HOLGA übernommen. Das wichtigste Bastelutensil für eine HOLGA oder DIANA ist das schwarze Klebeband. Hiermit lassen sich Lichteinfälle abdichten und den klapperigen Rückendeckel fixieren. Denn dieser fällt gerne ab und ruiniert dann den schlagartig freigelegten Film. Wer heute eine HOLGA bei Lomography.com kauft, erhält im Lieferumfang gleich eine Rolle Klebeband. Ehrlichkeit ist auch eine Tugend! Foto-philosophisch standen HOLGA und DIANA auf dem selben Blatt. Die Plastic Cameras zwangen zur Ruhe, sie entschleunigten das Fotographieren. Die technischen Aspekte der Fotografie traten in den Hintergrund. Die Bildkomposition wurde betont. Der Zufall wurde mit offenen Armen willkommen geheißen. Der Blick auf die Welt veränderte sich. Was macht wohl die Plastiklinse aus diesem Motiv? Die Phantasie beim Knipsen blühte in bunteren Farben und zeichnete Bilder in weicheren Konturen. Gerade wenn sich für einen schwarz/weiß-Film entschieden wurde, schwang eine ästherische Prise des Pictorialismus in den Bildern mit. (Dazu mehr an einer anderen Stelle.) Manchmal wurde sie vom fertigen Bild übertroffen, manchmal enttäuscht... Auch heute gibt es eine große Fangemeinde für den Look und das Handling der Spielzeugkameras. Die Lomographische Gesellschaft produziert unter anderem wieder Neuauflagen/Nachbauten/Weiterentwicklungen der DIANAs (Diana F+) und Holgas.  Zusätzlich bereicherten die Lomographen die Plastikwelt durch eine neue radikale Philosophy. Sie sorgte nicht nur für eine Wiederbelebung. Sie pumpten kraftvoll neues Leben in die Toy Camera-Fotographie. Zur schönen „neuen Welt“ der Lomography ein anderes Mal mehr. Denn dort gibt es noch viel zu entdecken, was das Spielzeugkameraherz höher schlagen lässt! Auch unsere Smartphones sind inzwischen zu echten Toy Cameras geworden. Hipstamatic, Instagram und unzählige Filter und Apps imitieren den coolen Vintagelook und zaubern ganz neue Bilderwelten, die der Ästhetik der HOLGAs, DIANAs und Co. entliehen ist.  Auch dazu später mehr an dieser Stelle. Denn auch die iPhone-Fotographie kann sehr beglückend sein und lohnt ausreichend Raum für Enddeckungen und Experimente. Wer mehr über Toy Cameras lesen möchte, dem sei folgende Buch ans Herz gelegt: Michelle Bates. Plastic Cameras: Toying with Creativity. Hier gibt es eine kostenlose Leseprobe. Hier einige Beispiele von Toy Camera-Bildern. (2 verschiedene HOLGAs, DIANA F+, LA SARDINA, DANA (Diana Clone))

Toy Camera Beispiele