Erste Eindrücke vom Petzval 85mm Objektiv von Lomography

Wie veröffentlicht auf Lomography.de Es gibt Objektive die durch High-Tech glänzen und es gibt andere, die glänzen einfach so. Das Petzval von Lomography ist der Nachbau eines historischen Portraitobjektivs aus dem 19ten Jahrhundert und fällt in die zweite Kategorie. Die Linse glänzt „einfach so“. In meinem Fall glänzt das, aus Messing gefertigte Petzval, am Bug meiner CANON EOS 70D. Das gülden in der Sonne blitzende Metall ist schon ein echter Blickfang! Kaum ein Passant, dem ich im Berliner Park am Gleisdreieick begegne, übersieht das Schmuckstück. Natürlich ist das nicht der Grund, warum ich meinen Fotospaziergang unternehme. Ich will das Petzval Objektiv mal in aller Ruhe ausprobieren. Von dem speziellen Bokeh, welches bei offener Blende besonders schön zu Tage tritt, habe ich schon viel gehört (und auf Lomography.de) gesehen. Jetzt halte ich es in den Händen und freue mich auf erste Versuche, dem guten Stück ein paar Bilder zu entlocken. Für diesen Echtlebentest habe ich zwei gute Freundinnen überredet, mir als Modelle zur Verfügung zu stehen. Die Aussicht auf einen entspannten Abend bei Pizza und Kaltgetränken im Biergarten im Anschluss an das Shooting, tat ein Übriges und so zogen wir gemeinsam los. Jana1 Wer den Geisdreieckpark nicht kennt, dem sei er dringend ans Herz gelegt. Die alten Bahnanlagen fügen sich in einen modernen, sauberen Park ein. Hier gibt es viele Gelegenheiten für Sport, Spiel und Entspannung. Und natürlich, viele schöne Orte für ein Fotoshooting, wie unseres. Das Petzval ist eigenwillig. Das muss man ihm lassen. Geschenkt bekommt man nichts von diesem Objektiv. Man muss es sich erarbeiten. Autofokus? Ne, gab es 1839 nicht, gibt es 2015 schon mal gar nicht! Scharfgestellt wird mittels eines Drehrädchens am Objektiv und durch minimale Körperbewegungen (vor und zurück) des Fotografen. Leichtbauweise? Von wegen! Das Geschoss wiegt eine Tonne! Diese Kombination wirkt sich bei offener Blende so aus, dass es wirklich nicht leicht ist, scharfe Bilder zu bekommen. Also, Gegenmaßnahmen einleiten! Wäre doch gelacht! Verschlussgeschwindigkeit erhöhen! Damit kriegen wir schon mal gewichtsbedingte Wackler in den Griff. Bei einer Blende von ca.f2 kommt außerdem so viel Licht durch das Glas, dass es obendrein schwierig ist, Überbelichtungen zu vermeiden. Mit schnellen Verschlusszeiten und niedrigen ISO-Werten rücke ich diesem Problem zuleibe. Bei strahlendem Sonnenschein soll man ja nicht unbedingt mit einer so großen Blende arbeiten. Aber ich will gerne das legendäre Bokeh sehen. Also, alles tun, damit es klappt. Die nächste Eskalationsstufe wäre ein MD-Filter. Aber ich komme (knapp) ohne ihn aus. Ein Wort zu den Blenden. Verstellt wird die Lichtöffnung nicht, wie üblich durch das Drehen eines Ringes am Objektivs, sondern durch das Einstecken von Metallplättchen mit verschieden großen Bohrungen. Die kleinste Blende liegt bei f16 die größte bei f2,2. Lässt man die Einsteckblenden ganz weg, nähert man sich einer f2 an. Damit erhält man eine wunderbar flache Tiefenschärfe (Bokeh). Im Gegensatz zu anderen Objektiven, ist der Bereich hinter dem scharfgestellten Objekt keineswegs einfach nur unscharf. In diesem Bereich zeigt das Petzval, was es kann. Ein optischer Wirbel zeichnet seine Muster ins Bokeh. „Das ist also der Petzvaleffekt!“ Aufregend! Begeisterung und Erstaunen macht sich breit, beim Fotografen und seinen Models. Der Blick auf das Display der CANON zeigt: es klappt. Noch größer ist die Euphorie als die mitgelieferten Kunstblenden getestet werden. Sie weisen statt der üblichen runden Bohrungen, Sterne, Tropfen und Sechsecke auf. Mit ihrer Hilfe verwandeln sich Lichtpunkte im Bokeh in leuchtende Sterne, Tropfen und… ja ihr ahnt es: Sechsecke! Großartig! Voller Spieltrieb voraus! Jetzt macht es richtig Laune. Models und Knipspilot finden immer neue Lichtquellen, die sich zu kitschigen Mustern formen lassen. Die Sonne, die durch das Blätterwerk fällt, eine Reflektion des Blitzes… all das zaubert hübsche graphische Elemente ins Bild. Sara-klein Aber das Petzval kann noch mehr. Da es im Gegensatz zu modernen Objektiven anfällig ist für Lensflares (Spiegelungen im Objektiv) erschrickt man sich anfangs vor den Lichtblitzen auf den Motiven, sollte die Sonne mal nicht von hinten kommen. Aber sobald man den ersten Schrecken überwunden hat fängt man an, damit zu spielen und die Blitzer als graphische Elemente, willkommen zu heißen. Fazit: Das Petzval ist definitiv kein Alltagsobjektiv. Es ist keine Linse für Schnappschüsse oder für unauffällige Streetphotography. Aber es ist ein hammer Werkzeug für besondere Portraits. Es ist eigenwillig im Handling, man muss sich schon eine Weile mit ihm anfreunden, sich verstehen lernen. Dann aber belohnt einen dieses Stück Messing und Glas mit einzigartigen Ergebnissen. Verwirbelte Bokehs, geformte Lichtblitze… Toll! Videoblog: