Liebe ist analog.
Wie viele Megapixel hat der Sensor? Wie schnell ist der Prozessor? Natürlich RAW, nicht .jpeg! Photoshop oder/und Lightroom? Wo steckt das richtige Pre-Set im Menü oder besser im Unter-Untermenü? Darf man auch die Automatik- oder gar die Programmfunktion nutzen oder ist man dann gleich kein Fotograf mehr? Ich liebe Technik und ich kann inzwischen meiner guten Canon EOS 600D auch ganz vernünftige Bilder entlocken. Ich tue dies auch regelmäßig und fange millionen Momente in billionen Farben ein, banne sie auf die schnellste SD-Karte, die Saturn mir verkaufen konnte.... Also, Digital ist nicht böse oder gar doof. Aber, aber, aber...
...aber immer wenn ich über das nachdenke, was die Liebe zur Fotografie für mich ausmacht, kommen mir ganz analoge Gedanken. Da ist das Gefühl des kreativen Nervenkitzels, dieses Kribbeln beim Entdecken eines Motivs, das Fantasieren beim Fokussieren, das Hoffen bei der Auswahl der Blende... Das Herzklopfen beim Drücken des Auslösers! Das Träumen von den Bildern, noch bevor man den Film ins Labor gebracht hat. Die Frage: "Sind meine Bilder schon fertig?" Das Gefühl der Filmtüte in der Hand, bevor man sich traut, sie zu öffnen....
All dies fehlt in der digitalen Welt. Auch die schönsten Fotos; technisch perfekt, wohl komponiert, in der Postproduktion aufgehübscht und perfektioniert - sie schenken mir nicht dieselben Gefühle. Ich bin manchmal beeindruckt vom Ergebnis oder gar überrascht. Dennoch, diese Gefühle verfliegen sehr schnell. Die nächsten 100 Bilder sind bereits geknipst und wollen durchgeklickt oder - gescrolled werden. Ich kann mich kaum an meine digitalen Lieblingsbilder erinnern. Oft bin ich verblüfft, wenn ich mal durch Zufall einen Ordner auf meinem Rechner öffne und durch alte Fotos klicke. "Hab ich das geschossen?" "Ach, ja stimmt." "Ist echt gut geworden." Und schon ist das Bild wieder weg und das nächste bittet um eine Sekunde meiner Aufmerksamkeit.
Die Bilder, die meine Filmkameras liefern, binden meine Aufmerksamkeit viel mehr. Nicht nur beim Entstehungsprozess. Auch danach. Es sind weniger und damit sind sie gleichwohl kostbarer. Manchmal sind es nur 8 in einer Polaroidkassette. Dann wieder 8, 12, 15, 24 oder 36 Fotos pro Filmrolle. Aber bestimmt keine 100-200 Bilder aus der letzten halben Stunde! Sicher, die Kosten des Filmmaterials und der Entwicklung bremsen die Knipswut. Aber da ist noch etwas anderes! Etwas tiefersitzendes als die Sorge um das Bankkonto. Es ist die Bereitschaft, auch mal ein Bild nicht zu machen, auf einen besseren Moment zu warten. "Lass mich noch mal überlegen, wie viel Tiefenschärfe ich gerne hätte." Oder "Ich glaube, ich sollte warten, bis die Sonne hinter dem Baum rauskommt."... Es sind viele Entscheidungen (rationale sowie intuitive), die in die Fotografien einfließen. Wenn die Stückzahl pro Film begrenzt ist, dann denkt man gerne ein bisschen länger nach und findet dabei eine andere, kreative Ruhe. Der Blick wird wacher, das Herz guckt auch noch mal drauf, die Seele steuert ein Votum bei, bevor der Finger zum Auslöser wandert.
Vielleicht bin ich auch ein bisschen "retro" oder "oldschool". Wer weiß? Aber ich genieße, den Prozess des analogen Fotografierens. Er bringt eine Ausgeglichenheit und Ruhe in meine Seele, die mir die digitale Fotografie nicht gibt. Neben den bereits genannten Gründen, ist es die Einfachheit der Technik, die mir mehr Zeit schenkt, mich mehr auf das Motiv zu konzentrieren. Was braucht man schon mehr als eine Auswahl der Blende und der Belichtungszeit? (Die ISO-Zahl gibt der Film ja eh vor.) Wenn diese Einstellungen vorgenommen sind, dann fehlt nur noch die Bildkomposition und das selektive Fokussieren. All dies sind Dinge, die hauptsächlich in meinem Kopf passieren. Die Technik ist dabei zweitrangig. Meine DSLR will immer noch von mir wissen, ob ich eine Landschaft oder ein Portrait knipsen will und ich muss herausbekommen, ob in der Lampe über mir eine Leuchtstoffröhre steckt oder eine Glühbirne, damit ich den Weißabgleich richtig einstellen kann. Oder mein Lieblingsfrage: Ist der Himmel bewölkt oder ist nur gerade eine Wolke vor der Sonne? Oder bedeutet diese Wolke, dass ich gerade im Schatten fotografieren? Nachdem diese philosophischen Fragen mit der Canon geklärt sind, schiebt sie noch eine Frage nach: Welche ISO Zahl? Was soll das denn? Der Film hat doch auch nur eine? (Ok, ich weiß wieso! Aber eben nicht warum?)
Und dann der LOOK! Ja, der LOOK! Bilder auf Film sehen einfach anders aus als auf dem Chip! Das Korn eines Films ist spannend. Das Rauschen eines digitalen Bildes nervt und macht unglücklich. Die weichen Kontraste eines Kodak Portra Films sind schön oder sinnlich. Fehlende Kontraste in der digitalen Fotographie machen ein Bild "flach". Sogar ein paar Lightleaks (Achtung: Lomography!) können wunderbar aufregend sein. Ein Lichtblitz auf einem digitalen Bild bedeutet oft: "Nochmal knipsen! Das war nichts!"
Ich habe nichts gegen digitale Kameras! Ich freue mich über ihre Verlässlichkeit und die professionellen Möglichkeiten, die sie bieten. Auch die Bildrettung ist digital leichter als beim Film. Photoshop (Yes, I shoot RAW!) kann so viel retten! Ich war oft genug sehr dankbar! Aber, aber, aber... mir fehlt da etwas. Die Ruhe, der Look und die Seele. Also, in meinem persönlichen Fall: Das was ich in der Fotografie suche.